Ein Liebesfall

Mittwoch, 2.7.1969 21:00  ! Köhlersaal
21:00 Ein Liebesfall

Programmheft SoSe 1969:

Achmed ist Mitglied der Partei, ein gewissenhafter und eifriger Beamter, dem die Vernichtung der Ratten in Jugoslawien zur Mission geworden ist, so sehr, daß er darüber vergißt zu leben. Seine Feldzugspläne gegen die Ratten stehen unter dem Motto:Wer wird die Erde schließlich beherrschen, der Mensch oder die Ratte? Isabella, sie ist Telefonistin im Belgrader Fernmeldeamt, lernt einen Sanitätsinspektor namens Achmed kennen. Sie ist diesem ruhigen, ernsten Mann, der bei seinem ersten Besuch in ihrer Wohnung schüchtern und verkrampft dasitzt und zaghaft an dem ihm ungewohnten Alkohol nippt, an Vitalität weit überlegen. Nach einiger Zeit ziehen sie zusammen und leben den Alltag eines Liebespaares, das sich keine Gedanken über die Bedingungen seines Glücks macht, nicht machen kann auf Grund der Disposition von Isabella und Achmed, die in dumpfem, archaischem Vertrauen und Glauben in diesem Glück treiben. Die Möglichkeit des Betrugs ist für sie darin nicht vorstellbar, und als es dann doch dazu kommt, verfallen die so stabil erschienenen Bedingungen ihrer Liebe rapid, nichts ist da, was dem Einhalt gebieten könnte. Während Achmed sich auf einer Dienstreise befindet, verrichtet Isabella im Fernmeldeamt den Nachtdienst. Ein Telegrammbote, der sich schon früher, bevor sie Achmed kannte, um sie bemüht hatte, und zwar vergebens, kommt nun sehr schnell zum Ziel. Isabella erwartet ein Kind von ihm. Achmed verläßt sie daraufhin, wird zum Trinker und irrt verwahrlost durch die Stadt. Sie verfolgt ihn, möchte ihn zurückholen, er weist sie ab, sie gelangen in einen alten Brunnenturm, wo Isabella im Handgemenge in den Schacht stürzt. Achmed, der sich wie ein Tier in einem Baum und im Gebüsch verkrochen hat, wird von der Polizei aufgespürt und verhaftet.

Makavejev gibt kein Abbild einer Realität, sondern er bildet sie, indem er die Geschichte von Isabella und Achmed zerlegt, die Teile mit aus anderen Bereichen und Zusammenhängen stammenden konfrontiert, wodurch beides gegenseitig aufeinander wirkt und etwas Neues erzeugt.
Der Tod Isabellas wird gleich zu Anfang des Films vorweggenommen.

Durch diese Unterbrechungen, Zwischenschaltungen und Arrangements, die die Kontinuität und einfache Logik der‚ Erzählung auflösen, ist die Geschichte, um mit Brecht zu sprechen, ihrer stofflichen Sensationen beraubt.

Er erschüttert die genüßliche Rolle des zum bloßen Betrachten privilegierten Zuschauers, der auch die ärgste Verstümmelung der Gattung Mensch zu goutieren imstande ist.

nach „Filmkritik“ 3/68