Die sieben Samurai

Dienstag, 14.12.1993 20:00 Audimax
20:00 Die sieben Samurai Trailer

Japan im 16. Jahrhundert. Ein Bauerndorf will sich gegen marodierende Banden zur Wehr setzen. Sieben Samurai werden als Schutztruppe engagiert, um das Dorf zu verteidigen. Gemeinsam machen sie sich dran die Bauern und das Dorf auf und auszurüsten. Mit der Zeit weicht ihre ursprüngliche Söldnermentalität einem aufrichtigen Gefühl der Solidarität. Doch die Konflikte untereinander und mit den misstrauischen Bauern brechen immer wieder auf.

Während der Film an der Oberfläche ein Hohelied auf die Samurai zu sein scheint, zeigt er in der von uns gezeigten ungekürzten Version deutlich den historischen Vorgang des allmählichen Hinschwindens und Überflüssigwerdens der Samurai-Kaste.

BC


Programmheft WS 1993/1994:

Japan, 16. Jahrhundert: Ein armes Bauerndorf wird jährlich von Banditen überfallen und ausgeraubt. Die Bauern heuern sieben Samurai an, die mit ihrer Kriegskunst und ihrem Kampfesmut das Dorf dieses Jahr beschützen sollen. Die Motivation der bunt zusammengewürfelten Schar der sieben Samurai ist unterschiedlich und ändert sich im Lauf der Kampfhandlungen: Zunächst aus Langeweile, Ruhmsucht oder militärischem Ethos, später aus aufrichtiger Solidarität mit den Bauern stellen die Krieger ihre Fähigkeiten in den Dienst der Unterdrückten und opfern sich für eine ihnen fremde Sache.

Jeder dieser sieben Krieger wird von seinen Mitstreitern sorgsam, mit den diskretesten Mitteln, abgehoben, und der Film zeigt wunderbar, wie die Samurai und die bedrängten Dörfler eine Schicksalsgemeinschaft werden.

Das Samurai-Epos ist brillantes Action-Kino und humanistische Parabel zugleich. Auf einer Liste der besten japanischen Filme aller Zeiten auf Platz eins (vor Kurosawas „Ikiru“). Ebenfalls bekannt, auch wenn bei weitem nicht an das Vorbild heranreichend: John Sturges Western-Remake des Stoffs, „Die glorreichen Sieben“.


 

Seminarbegleitheft WS 1980/1981:

Die vollkommene Vereinigung aller Elemente, die den ganz persönlichen Stil Kurosawas ausmachen ist in "Die sieben Samurai" erreicht.
 
In vieler Hinsicht ist "Sieben Samurai" sowohl das Gegenteil als auch die Fortsetzung von "Rashomon". Einer der Aspekte ist der, daß "Rashamon" die Grenzen des Intellekts veranschaulicht: vier Geschichten, von denen jede vollständig vom Verstand bedingt ist, die alle gegenseitig unvereinbar sind und die doch auf ihre Weise "wahr" sind. "Sieben Samurai" andererseits geht über die Intellektualisierung hinaus: der Film sagt, daß nur solche Taten, die dem Glück entspringen, gültige Taten sind, und daß die Handlung, die so motiviert ist, selbst Wahrheit ist. Diese Wahrheit - obwohl allgemeingültig - ist doch in besonderem Maße japanisch: sie ist im Zen und im Haiku genauso enthalten, wie in den Filmen von Ozu und Kurosawa. Und sie lautet: Gefühle verstehen, wo der Verstand strauchelt. Dieser fundamentale Zwiespalt ist in Japan gleichermaßen erkannt und betont worden wie im Westen, und Kurosawas Humanismus, sein Dostojewskij-ähnliches Mitleiden, sein endgültiges und stärkstes Zeugnis hierfür.
 
In "Sieben Samurai" ist Mitleiden jedoch keine Sentimentalität, es wurde gemildert durch Handlung, durch Aktion. Theori wurde zur Praxis. Gewalttätige körperliche Taten, geschehene Dinge, vollendete Dinge, ausgeführte Dinge, unwiderrufliche Dinge - daraus besteht dieser Film. Das Endergebnis all dieser Aktion (und es hat kaum einen wilderen Action-Film gegeben) ist der Extrakt einer einzigen bittersüßen und ungenießbaren Wahrheit, die vom Gefühl jedoch zwangsläufig akzeptiert wird.
 
Die Handlung ist einfach. Ein kleines Dorf wird ständig von Banditen bedroht; die Bewohner sind völlig wehrlos; sie rufen eine Gruppe herrenloser Samurai zu Hilfe, Männer, die genauso heimatlos, genauso gesellschaftliche Außenseiter sind, wie die Banditen, gegen die sie kämpfen sollen. Sie willigen ein und der Hauptteil des Films schildert ihren Verteidigungskampf, in dessen Verlauf einige von ihnen. fallen. Die Dorfbewohner sind ihnen dankbar, aber es ist Frühling, sie müssen pflanzen und säen, sie sind beschäftigt, sie haben zu tun. Die Überlebenden Samurai verlassen den Ort, den sie verteidigt haben, der so ihre einzige Heimat war; am Grab derer, die sie zurücklassen müssen, halten sie kurze Zeit an; dann ziehen sie weiter.
 
Der Film ist ein leidenschaftlicher Aufruf zu Hilfsbereitschaft und Zusammenarbeit, und zur gleichen Zeit erklärt er, warum beide Ideale nie zu verwirklichen sein werden. Wie "La Grande Illusion" (dem er sonst in keiner Weise gleicht) zeigen "Die Sieben Samurai", wie wesensgleiche Symphatie die Männer aneinander bindet und wie der Krieg diese Bindung pervertiert. Kurosawas Film geht aber weiter, indem er zeigt, daß auch der Frieden Perversion kennt. Die Samurai kämpfen Seite an Seite mit den Dorfbewohnern. Obwohl die Bauern am Ende nicht ihre Feinde geworden sind, können sie sie doch auch nicht ihre Freunde nennen.
 
So gibt der Film eine vollständige und gültige, sehr ergreifende und ziemlich deprimierende Auslegung der Motive menschlichen Handelns. Daß seine Wirkung darüber hinaus nicht niederdrückend oder gar tragisch ist, verdankt er ausschließlich dem gleichbleibend großartig durchgeführten Schluß, der Szene am Grab; einer Resignation im Angesicht des Unvermeidlichen, durch welche er die Stille und feierliche Schönheit schafft, wie sie in "Die Sieben Samurai" unserem Begriff der Katharsis sehr nahe kommt. Ein anderer Grund dafür, weshalb das tragische Element stillschweigend bleibt, liegt darin, daß das orginale Manuskript mit außerordentlicher optischer Brillianz in Bilder umgesetzt worden ist. Man ist so überwältigt von der Pracht und Sinnlichkeit, von der reinen Lebenskraft der Bilder, daß man erst viel später merkt, wie nahe man den Tränen war. Der Film lebt so stark, daß man sofort an Hunderte bedeutungsreicher Bilder denken muß, wenn man sich an ihn erinnert: an den Anfang mit dem Schwertkampf, in welchem der Schwertmeister mehr vom Wesen der Samurai zeigt, als alle Bücher je vermitteln können, die über "Bushido" geschrieben wurden; an die wunderbar lustige Szene, in welcher der erste Samurai den Plan faßt, wie er seine Männer auf die Probe stellen könnte; an den Charakter des letzten Samurai und an seinen Tod; an die Liebensszenen inmitten blühender Felder; an den ersten Angriff der Banditen; wie ihr Bild sich gegen den Himmel abhebt, und sie unendlich langsam durch wogende Gräser den Hügel herabsteigen; an die letzte Flucht und die großartige Szene des Reispflanzens, Inbegriff des Frühlings; und an die letzte, die Schlußszene, die so tiefgründig ist, da man ihre Wirkung spürt, wenn man sich vergegenwärtigt, wie sehr sie ein Teil des Anfangs, wie notwendig sie für das Ganze ist.


Programmheft WS 1966/1967:

Dies ist vielleicht der größte Film, den Kurosawa überhaupt gedreht hat. Er ist zugleich Abenteuerdrama, episches Gedicht und philosophische Meditation. Deutlich heben sich vier Hauptabschnitte aus ihm heraus: die Suche der Bauern nach den Samurai, die sie vor dem Angriff der Banditen beschützen könnten; die Vorbereitungen auf den Angriff; der langdauernde Kampf mit seinen wilden Gemetzeln; und schließlich der melancholische Schluß — er enthält jene für das Verständnis des Films entscheidende Szene, da die drei am Leben gebliebenen Samurai vor den Gräbern ihrer gefallenen Mitstreiter stehen und einer von ihnen resignierend feststellt: „Die Bauern haben den Krieg gewonnen — nicht wir Samurai!“ Bemerkenswert, wie hier ein historischer Vorgang — das allmähliche Hinschwinden und Überflüssigwerden der Samurai-Kaste — deutlich festgehalten wird, während der Film an der Oberfläche ein Hohelied auf die Samurais zu sein scheint. Von gewaltiger Kraft sind die Bilder: jede Einstellung gleicht einer Komposition; ihre Aufeinanderfolge, der Wechsel von Totalen und expressionistischen Nah- und Großaufnahmen gehorcht einer genau berechneten Dynamik. Großartig auch die Verwendung der musikalischen Leitmotive oder die epische Gliederung des Marsches der Samurai zu dem bedrohten Dorf...

Zwei Stunden und vierzig Minuten dauert dieser Film. Im Original sogar drei Stunden und zwanzig. Ein Katarakt von Bildern ergießt sich über den Zuschauer. Es ist kaum eins darunter, auf‘ dem der Blick ausruhen soll. Auch die langsamen Sequenzen wirken schnell, weil sie aus Dutzenden von Einzeleinstellungen zusammengesetzt werden. Tele-Aufnahmen ziehen Vorder- und Hintergrund zusammen und massieren die Figuren. Selbst Zeitlupenaufnahmen, die Kurosawa in den Kampfszenen verwendet, dehnen die Vorgänge nicht, sondern pointieren sie. Alles ist Bewegung und das Grundgesetz beinah jeder Szene ist der Zusammenprall...

Technisch erreicht Kurosawa die optische Wirkung dieses Films durch ein neues Aufnahmeverfahren, das vom Fernsehen her vertraut ist. Er läßt gleichzeitig mehrere Kameras aus verschiedenen Blickwinkeln eine Szene aufnehmen, die vorher wie auf der Bühne geprobt wurde und nun ohne Unterbrechung durchgespielt werden kann. Außerdem verwendet er besonders starke Tele-Objektive, durch die er ein Höchstmaß an Intimität erreicht. In den USA lief der Film stark gekürzt unter dem Titel „The Magnificent Seven” und mit der den Amerikanern eigenen Unbekümmerheit dreht John Sturges 1960 unter dem gleichen Titel ein Remake‚ in dem die Geschichte ohne große Änderung ins Western-Milieu verpflanzt wird.