Furyo - Merry Christmas Mr. Lawrence

Donnerstag, 19.12.1985 19:00  ! Audimax
19:00 Furyo - Merry Christmas Mr. Lawrence

Programmheft WS 85/86:

Verkehrte Welt: ein Kriegsfilm, der nicht von großen Schlachten handelt, keine Siege und Helden vorführt - fernab im javanischen Dschungel, bahnt sich in einem japanischen Kriegsgefangenenlager jenseits des institutionalisierten Freund-Feind-Schemas über kulturelle und sprachliche Differenzen hinweg sehr vorsichtig und oft nur in Andeutungen eine Geschichte der Verständigung an. Es ist auch die Geschichte einer bis ins Extreme nie gelebten Liebe.

Mit seinem neuesten Film, "Merry Christmas, Mr. Lawrence", setzt der japanische Regisseur Nagisa Oshima die zwei sein Filmwerk beherrschenden Themen fort: sexuelle Begierde und Tod. Diesmal nicht als "Isolationshaft der Lust", wie Botho Strauß in trefflicher Form die Zentralsituation des Films "Im Reich der Sinne" (1976) charakterisierte, sondern als Kriegsgefangenschaft eines "lieu clos", die zur Brutstätte homosexueller Obsessionen wird. War es Sada und Kichizo möglich gewesen, durch radikale Klausur den ersten Augenblick der Liebe und der Leidenschaft festzuhalten und so einen Sieg der Liebe über die Zeit zu erringen, bleibt Lagerkommandant Yonoi (R.Sakamoto) nur die völlige Kasernierung seiner Gefünle für Jacques Celliers (D.Bowie), der als Gefangener und Feind ewig unerreichbar bleibt. Die Situation der äußeren Gefangenschaft schlägt zu einer inneren um: Lagerkommandant Yonoi ist in das Gefängnis seiner Emotionen eingeschlossen, wodurch er zum Spielball des Geliebten wird. Das Verhältnis von Gefangenem und Befehlhaber hat sich verkehrt. Die martialischen Gesten Yonois entlarven sich als Demonstration seiner Ohnmacht. Bezeichnenderweise muß er gegen Ende des Films als untauglich von seinem Posten abgelöst werden.

Fasziniert von Sir Laurens van der Posts Roman "The Seed and the Sower" entstand schon 1978 die Idee zum Film "Merry Christmas, Mr. Lawrence". Durch finanzielle Schwierigkeiten verzögerte sich das Projekt, das schließlich als erste japanisch-englische Koproduktion realisiert werden konnte.
(nach: Carola Hilmes, Filmfaust 37, Feb.'84)