M - Eine Stadt sucht einen Mörder

Dienstag, 11.11.1975 19:15  ! Audimax
19:15 M - Eine Stadt sucht einen Mörder

Kinder werden ermordet und niemand weiß das zu stoppen, weder die Polizei noch die Anwohner der betroffenen Großstadt. Selbst die Unterwelt fühlt sich von dem Triebtäter gestört und versucht, ihn unschädlich zu machen. Doch dieser ist geschickt und spielt ein Katz-und-Maus-Spiel. Mit M holt sich der Filmkreis ein Stück Filmgeschichte ins Programm. Der Film zählt zu den ersten deutschen Tonfilmproduktionen und ist längst ein Pflichtklassiker.

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Programmheft SoSe 1961:

Als 1950 die Presse M unter dem Titel „Mörder unter uns” ankündigte, fühlte sich die NSDAP getroffen; Lang wurde anonym bedroht, die Staakener Ateliers schlossen vor ihm ihre Tore, Boykott wurde geplant. Da wurde den Nazis klargemacht, daß der Film sich nicht von ihresgleichen, sondern vom Düsseldorfer Kindermörder Kürten inspirierte; und nachdem Lang überdies den „die Deutschen beleidigenden" Titel radikal kürzte‚ gaben sich die Nazis zufrieden — nicht ahnend, daß der Film Dokument und Spiegel seiner und damit ihrer Zeit werden würde, die sich so sehr disponiert zeigte, sich faschistisch zu infizieren. Im Film, wohlverstanden, geht es nur um die Kriminalgeschichte, die Jagd nach dem Kindermörder (Lorre). Die Polizei, angeführt von Lohmann (Wernicke), sucht ihn unverständigerweise unter den Berufsverbrechern, denen dann auch bald die ewigen Razzien nicht mehr behagen. Ihr oberster Führer, Schränker (Gründgens), beteiligt daher ihre Berufsorganisationen, die Ringvereine, ebenfalls an der Jagd.

Das letzte Jahr der Weimarer Republik präsentiert sich im Film. Akteure sind die Führer der Organisationen von Polizei und Verbrechern; ausgeschaltet ist die Regierung („Der Minister scheint nicht zu verstehen...”) und das Volk (Lohmann: „das kalte Kotzen . . .”). Und das Opfer ist der Kindermörder in seiner geradezu rührenden Bürgerlichkeit — Opfer der Gewalt und vor allem Opfer seiner Triebe, die ein unerforschliches und unabänderliches Schicksal ihm auferlegte („will nicht — muß”).

Die vernebelnde Atmosphäre des Terrors drückt sich weniger in den konkreten Aktionen als in den formalen Mitteln aus. In diesem Film ist immer Nacht; Licht und Schatten und ziehender Rauch erzeugen jenen verwunschenen Realismus, der jede harmlose Geste in fatale Hintergründigkeit und Endgültigkeit verwandelt. Die Trennung von Ton und Bild ist das schlechthin Neue und Aufregende in diesem, Langs erstem Tonfilm. Während die Mutter den Namen ihres Kindes, „Elsie!”, ruft, zeigt die Kamera das verlassene Treppenhaus, buschiges Vorstadtödland, den in den Telefonleitungen zappelnden Luftballon des Kindes. Mehr und eindringlicher konnte über den Mord und seine Wirkung nicht gesagt werden.

(Filmkritik)


Programmheft SoSe 1957:

Fast scheint es, als ob es in Deutschland nur einen einzigen Regisseur gab, der es verstanden hat, Kriminalfilme zu drehen, nämlich Fritz Lang. Seinen beiden „Mabuse“-Filmen, seinen „Spionen“ und vor allem seinem ersten Tonfilm „M“ kann man wohl so leicht nichts Gleichwertiges an die Seite stellen.

Was uns bei der Betrachtung des Filmes „M" auffällt, sind die für einen Kriminalfilm ganz ungewöhnlichen Einstellungen. Bei aller optischen Orginalität jedoch bleibt die Fotografie immer spannungsgeladen und zwingt den Zuschauer in ihren Bann.

Das neue Element des Tones beherrscht Fritz Lang virtuos. Wenn er Peter Lorre als Kindesmörder an den entscheidenten Stellen das Anitra-Motiv aus der Peer-Gynt-Suite von Grieg pfeifen lößt, so wendet er bereits das gleiche Stilmittel an, wie es 20 Jahre später Carol Reed in seinem „Dritten Mann” mit dem als neuartigen Regieeinfall so vielgerühmten Harry-Lime-Thema tat, nämlich den Mörder durch ein musikalisches Thema zu kennzeichnen.

Vorfilm: Mr. Maggoo's Abenteuer (Zeichentrickfilm der United Productions of America)