Der kleine Soldat

Mittwoch, 14.6.1967 21:00  ! Köhlersaal
21:00 Der kleine Soldat

Programmheft SoSe 1967:

Genf, zur Zeit des Algerienkrieges; Bruno, desertiert aus der französischen Armee, verdient seinen Lebensunterhalt als Reporter einer Nachrichtenagentur und gehört mit Jacques und Paul zu einer Gruppe französischer Terroristen, die gegen die algerischen Rebellen arbeitet. Er wird verdächtigt, ein Doppelagent zu sein und beauftragt, Palivoda, einen Schweizer Rundfunkkommentator, der sich für die Rebellen ausspricht, zu töten. Bruno weigert sich, einmal weil er seine Freiheit wiedergewinnen will, außerdem. weil er sich gerade in ein Mädchen namens Veronica verliebt hat. Er will zusammen mit Veronica, die für die Rebellen gearbeitet hat und ebenfalls aussteigen will, nach Brasilien fliehen. Doch fällt er in die Hände der algerischen Terroristen, die ihn foltern, damit er seine „Freunde” verrate. Bruno widersteht und flieht. Dann erklärt er sich bereit, Palivoda umzubringen, um Pässe für sich und Veronica zu bekommen, doch führt ihn Jacques hinters Licht, indem er Veronica kidnapt und ihm erzählt, sie werde von den Feinden festgehalten. Bruno tötet Palivoda und erfährt dann, daß Veronica gefoltert worden sei, damit sie Informationen über die Algerier preisgebe. und dabei gestorben ist.

„Der Soldat” ist ein außerordentlich ehrlicher Film, der keine humanistischen oder sonstigen Antworten auf die Gewissensprobleme, die er aufwirft, nahelegt. „Vielleicht ist es das, was zählt“, sagt Bruno, „seine eigene Stimme, sein eigenes Gesicht erkennen zu lernen.“ Wie „Außer Atem” und „Die Geschichte der Nana S.“ ist „Der Soldat” ein Film über das allmähliche Erwachen der Selbstwahrnehmung. Bruno Forrestier, Landflüchtiger, Deserteur und Killer, hält plötzlich an und verweigert sich, nicht aus moralischen Gründen, nicht aus Heroismus, sondern einfach weil er, wie ein Sartrescher Held sein will, leben will, für sich selbst handeln will. Ironischerweise scheint Brunos Weigerung nichts zu ändern, doch Bruno selbst hat sich geändert. Zu Beginn des Films erklärt er: „Für mich ist die Zeit des Handelns vorbei. Ich bin älter geworden. Die Zeit der Reflexion hat begonnen.” Und „Der Soldat” ist, wie „Die Geschichte der Nana S.”, eine Meditation, in der Brunos Geist seine einzige Waffe gegen Qualen und Häßlichkeit ist.

Während des ganzen Films scheinen Godard und sein Kameramann Coutard dieselben Gedanken gedacht zu haben, mit denen sie Brunos Eindrücke mit nie aussetzender Präzision wiedergeben. Der Film besitzt dieselbe kühle, präzise und verschlossene Schönheit wie „Ein zum Tode Verurteilter ist entflohen”: es ist leicht einzusehen, warum Godard Bresson nicht nur bewundert, sondern auch von ihm bewundert wird.

(Tom Milne in „Monthly Film Bulletin”)