Der falsche Mann

Mittwoch, 30.1.1963 20:30  ! Köhlersaal
20:30 Der falsche Mann

Programmheft WS 1962/1963:

Der falsche Mann ist in gewisser Weise der Prüfstein aller bisherigen Hitchcock-lnterpretationen geworden. Zum ersten Male hat sich Hitchcock hier keiner erfundenen Story bedient, sondern eines belegten Falles.

Vor ein paar Jahren wurde in New York ein gewisser Christoph Emanuel Balestrero unter dem Verdacht des wiederholten Raubüberfalles mit Waffengewalt festgenommen. Mehrere Zeugen identifizieren ihn hinreichend als Täter, stichhaltige Indizien sprachen gegen ihn... kurz: eine Verurteilung erschien wahrscheinlich. Da konnte bei einem gleichartigen Überfall der wirkliche Täter gefaßt werden.

Die Erfahrung um die es im falschen Mann geht, ist die des Identitätsverlustes: der Mensch plötzlich aus den Bezügen seines privaten Bereiches herausgerissen, in den rätselhaften und anonymen Mechanismus der Ämterwelt hineingestoßen und schweren Beschuldigungen ausgesetzt, muß um seine Identität kämpfen.
Der Film hat diese Thematik vollendet ins Formale umgesetzt, mit einer selten erreichten Souveränität in der Beherrschung aller Gestaltungsmittel des schwarzweißen Films. Jedes beiläufige Detail hilft, eine Welt des Verdachts, der Denuziation und der Gefährdung zu konstituieren.

Die konsequenteste Handlungsführung und die treffsichersten Einstellungen und Schnitte würden freilich ohne Wirkung bleiben, wäre die Hauptrolle nicht so Überaus glücklich besetzt: Henry Fonda realisiert durch seine bloße Gegenwart, seinen Gang, seine Gesten, sein Gesicht die Absurdität der Existenz des unschuldig Angeklagten und zugleich seinen schweigsamen Protest und seine tragische Würde.

(nach Filmkritik)